Chronische Schmerzen
 

Dr. Esther Huser, Fachpsychologin für Psychotherapie

Psychologische Beratung und Psychotherapie in Zürich

Chronische Schmerzen

Schmerz

Schmerz ist eine sehr unangenehme Wahr­neh­mung, bei welcher Körper und Psyche eng miteinander verbunden sind. Schmerz hat für uns Men­schen Alarmcharakter, d.h. wenn wir Schmerzen wahrnehmen, bemühen wir uns sofort, die Ursa­che zu finden und den Schmerz zu lindern. In der Schweiz leiden ca. eine Million Menschen unter chronischen Schmerzen. Der meistbetroffene Körperteil ist der Rücken.

Was sind Chronische Schmerzen?

Chronische Schmerzen, d.h. eine sogenannte Schmerzstörung, liegen dann vor, wenn folgende Symptome während mehrerer Monate auftreten:

  • Die Person klagt über Schmerzen an einer oder mehreren Stellen des Körpers.
  • Die Person leidet unter den wahrgenommenen Schmerzen und ist in ihrer sozialen, beruflichen und psychischen Leistungs­fähig­keit beeinträchtigt.
  • Psychische Faktoren spielen eine wichtige Rolle für den Beginn, den Schweregrad, die Zunahme oder die Aufrechterhaltung der Schmerzen.
  • Die Schmerzen sind weder vorgetäuscht noch absichtlich erzeugt.

Chronische Schmerzen entstehen nicht, weil der Betroffene etwas falsch gemacht hat. Er ist nicht Schuld an den Schmerzen und bildet sie sich auch nicht ein. Mit der Zeit haben sich aber verschiedene körperliche und psychische Lern­pro­zes­se verfestigt, und es hat sich ein sog. Schmerz­gedächtnis (s.u.) gebildet.

Was hat Schmerz mit der Psyche zu tun?

Das Ausmass von Schmerzen wird im limbischen System, einer Region des Gehirns, verarbeitet. In der gleichen Region befindet sich auch das Zentrum der Gefühle. Gefühle spielen bei der Schmerzwahrnehmung und ihrer Intensität eine wichtige Rolle. Beispiel: Ein Mensch leidet nach einem unverschuldeten Unfall unter starken Schmerzen. Der Unfallverursacher hat sich nie bei ihm gemeldet. Der Leidende kann unter Umständen in Momenten, in denen er negative Gefühle wie Ärger, Enttäuschung, Wut usw. empfindet, Schmerzen weniger gut regulieren und wird sie als stärker wahrnehmen als jemand, der seine Schmerzen durch eigenes Verschulden verursacht hat.

Was ist ein Schmerzgedächtnis?

Eine körperliche Reizung (z.B. eine Verletzung) wird durch Botenstoffe in den Nervenbahnen an das Gehirn geleitet. Dort wird die Reizung als eigentlicher Schmerz wahrgenommen. Hält ein Schmerz über längere Zeit an, bildet sich im Gehirn ein sogenanntes Schmerzgedächtnis. Als Folge ist immer weniger körperliche Reiz­inten­si­tät nötig, um die Schmerz-Zellen zu aktivieren und dem Gehirn Schmerz zu melden. Dieser Prozess, Sensitivierung genannt, setzt neue Gedächtnisspuren in den Zellen, im Rückenmark und in bestimmten Teilen des Gehirns. Diese Sensitivierung ist vergleichbar mit einer Alarm­anlage, die sich nach einigen Monaten nicht mehr nur bei sich nähernden Menschen einschaltet, sondern bereits Alarm schlägt, wenn eine Katze vorbeigeht oder ein starker Wind weht.

Wenn sich das Gerät immer mehr in seiner Reizempfindlichkeit verstärkt, wird der Alarm zuletzt schon durch ein vorbeifliegendes Insekt und schliesslich ohne jeglichen Auslöser aktiviert. Auf die gleiche Weise wird das Schmerzgedächt­nis laufend empfindlicher.

Der Teufelskreis

Der Teufelskreis beginnt damit, dass sich das Denken des Betroffenen mehr und mehr auf die Schmerzen konzentriert. Die Folge sind negative Gefühle wie Angst, Ärger, Enttäuschung etc. Diese Gefühle fördern noch mehr die Aufmerk­sam­keit auf den Körper und den als unbeeinflussbar wahrgenommen Schmerz, was wiederum Gefühle der Hilflosigkeit und Verzweiflung verstärkt. Und diese verstärken ihrerseits erneut die Schmerzwahrnehmung, und so fort.

Neu gelernte, ungünstige Verhaltensweisen, z.B.:

  • Schmerzende Körperstellungen werden vermieden oder geschont. Dadurch entstehen Muskelspannungsveränderungen, die wiederum schmerzen können.
  • Schmerz bereitende Aktivitäten werden frühzeitig vermieden. Ein Schonkreislauf beginnt, der die betroffene Person immer mehr in ihren Bewegungen einschränkt und auch räumlich isolieren kann.
  • Angst und Schmerz-Teufelskreis: Der Schmerz führt zu Spannungen; diese erhöhen das Stressniveau und können Angst- und andere negativen Gefühle auslösen. Diese erhöhen wiederum die Schmerz­wahr­nehmung.

Die Verhaltenstherapie bei Chronischen Schmerzen

Folgende Ziele werden zusammen mit dem Betroffenen angegangen:

  • Durchbrechung des erwähnten Teufels­kreises.
  • Abbau von Schmerzverhalten, das zu weiteren Verspannungen und zu Inaktivität führen kann.
  • Erlernen von Ablenkungsverfahren: Kon­zentration auf andere Aktivitäten. Dies muss man zuerst wieder lernen, da sich die Aufmerksamkeit und die Konzentration bei chronischen Schmerzen automatisch immer wieder auf die Schmerzen richtet.
  • Aufbau oder Wiederaufnahme von Aktivi­täten: Falls ärztlich keine Vorbehalte bestehen, sollte man wieder lernen, frühere Aktivitäten aufzunehmen, auch wenn die Schmerzen da sind. Die so gewonnene Ablenkung und Zufriedenheit wird die Schmerzwahrnehmung vermindern.
  • Medikamentenreduktion: Sofern mit dem Arzt abgesprochen und möglich, Medika­mente nach einem festgesetzten Plan und so wenig wie möglich frei nach Bedarf einnehmen.
  • Reduktion von alternativen/passiven The­rapieangeboten: Sich selber langsam aus der Rolle als Patient befreien. Arztbesuche nur wenn nötig und abgesprochen. Thera­pien vermehrt nur solche, in denen eigenes Handeln gegen den Schmerz erlernt und gestärkt wird. Therapien, die den Betroffe­nen passiv 'heilen' und bei denen die positive Wirkung jeweils nur Stunden anhält, nach Möglichkeit reduzieren, da sie die Rol­le als passiv erduldenden Patienten fördern.
  • Reduktion des schmerzbedingten Stres­ses: Erlernen von gedanklichen und äusseren Ablenkungsaktivitäten, um die Aus­schüttung von Stresshormonen im Körper einzuschränken.
  • Kontrolle über den Schmerz zurückgewinnen: Selbstwirksamkeit erlernen. "Ich kann zwar den Schmerz nicht ändern, ich kann aber immer wieder versuchen, mein Leben trotzdem sinnvoll und positiv anzugehen.".
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